Der letzte Weynfeldt (German Edition) by Suter Martin

Der letzte Weynfeldt (German Edition) by Suter Martin

Autor:Suter, Martin [Suter, Martin]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257600483
Herausgeber: Diogenes Verlag
veröffentlicht: 2012-02-20T23:00:00+00:00


17

Die Rothaarige kam Baier bekannt vor. Aber er wusste nicht, woher.

Weynfeldt war völlig verdattert gewesen, hatte dagestanden wie ein Ölgötze, sein Gesicht hatte sich verdunkelt. Bei Tag hätte man gesehen, dass er errötet war.

Baier wusste selbst nicht, was ihn zu seinem Angebot bewogen hatte, sie nach Hause zu fahren. Instinkt. Und der hatte ihn in Liebesdingen noch seltener im Stich gelassen als in Geldangelegenheiten.

Jedenfalls war es nicht in Weynfeldts Sinn gewesen, das hatte er ihm angesehen. Und das war nach dessen sturem Benehmen heute Abend bereits Grund genug, es zu tun.

Im Taxi war er sich plötzlich sicher, dass er das Richtige getan hatte. Es war ihm nämlich eingefallen, weshalb ihm die Frau bekannt vorkam. Sie erinnerte ihn an Daphne, Weynfeldts Kunststudentin von damals. Er besaß zwar kein so gutes Personengedächtnis, dass er sich nach so vielen Jahren an jedes Gesicht erinnern konnte. Aber Weynfeldt wie ein Lakai neben einem rothaarigen, hellhäutigen Mädchen, das war ein Bild, an das er sich sehr wohl erinnerte. Und Weynfeldt ganz offensichtlich auch.

»Kennen Sie Adrian schon lange?«, erkundigte er sich.

»Nein. Und Sie?«

»Seit seiner Geburt. Unsere Väter waren befreundet.«

Sie nahm diese Information ohne großes Interesse zur Kenntnis und starrte durchs Fenster auf die vorbeiziehende Innenstadt.

»Wann hatten Sie es denn zuletzt?«

»Was?«

»Ihr Portemonnaie. Wenn ich etwas verloren habe, versuche ich immer zu rekonstruieren, wann ich es zuletzt gehabt habe.«

Sie zögerte und überraschte ihn mit der Antwort:

»Ich habe es nicht verloren. Ich habe einfach nicht genug Geld dabei.«

»Und weshalb haben Sie das Adrian nicht gesagt?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Sagen Sie es gerne, wenn Sie kein Geld haben?«

»Ehrlich gesagt, die Situation ist mir nicht so geläufig.«

»Klar. Blöde Frage.«

Auf einer Bank saßen ein paar sommerlich gekleidete, von Flaschen und Dosen umzingelte Jugendliche. Einer warf dem Taxi eine Dose nach und verfehlte es. Man hörte die Buhrufe seiner Kumpane.

Die Adresse, die sie angegeben hatte, würden sie in etwa fünf Minuten erreicht haben. Zu wenig Zeit für ein Gespräch nach Baiers Geschmack. Er fragte: »Sie würden einem al-ten Mann nicht die Freude machen, mit ihm einen Schlummertrunk zu nehmen? Ich schlafe schlecht, und es ist noch früh.«

Sie wandte den Blick vom Fenster ab und musterte ihn mit einem fast professionellen Blick. »Wo, zum Beispiel?«

»Wo Sie wollen.«

»Wo es noch etwas Kleines zum Beißen gibt. Ich habe noch nichts gegessen.«

»Was, zum Beispiel?«

»Hummer, zum Beispiel.«

»Sie meinen das Trafalgar?«

»Zum Beispiel.«

Das Trafalgar war eine Hotelbar im Stil eines englischen Pubs, in der man bis spät abends ein paar Klassiker des hoteleigenen Fischrestaurants essen konnte. Unter anderem Hummer. Kalt, gegrillt oder Thermidor. Es lag nicht weit ab von ihrer Route.

Baier gab dem Fahrer die Adressänderung bekannt. Kurz darauf half Lorena ihm aus dem Wagen.

Die Bar war schummrig und halbleer. An ein paar Tischen saßen Hotelgäste, an ein paar anderen Geschäftsreisende in Begleitung junger schöner Mitarbeiterinnen eines der hiesigen Escortservices. Ungleiche Paare wie Lorena und er, dachte Baier.

Sie bestellte kalten Hummer und Champagner, Baier einen Armagnac, einen doppelten. »Es stört Sie doch nicht?«, bemerkte er und machte sich daran, eine Zigarre anzustecken.

»Doch, doch«, antwortete sie.

»›Doch, doch, rauchen Sie nur‹ oder ›doch, doch, es stört mich‹?«

»Doch, doch, es stört mich, aber rauchen Sie nur.



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